Zürich trotz Aufbruchstimmung im Tief
Es ist der 25. November, der FCZ bezwingt Titelverteidiger Young Boys im heimischen Letzigrund 3:1 und löst die Berner als Leader der Super League ab. Die Zürcher haben zu diesem Zeitpunkt bloss eines von 15 Meisterschaftsspielen verloren. Seither aber passt nicht mehr viel zusammen, schauten in sieben Partien bloss noch drei Unentschieden heraus. Das führte zu einem Abrutschen in der Tabelle auf den 5. Platz, der Vorsprung auf das siebtklassierte Winterthur beträgt nur noch vier Zähler.
Dem FCZ droht also gar der Fall in die Abstiegsrunde (Relegation Group) - nach 33 Runden wird die Liga in der Mitte geteilt. Damit würde er zum fünften Mal seit dem Wiederaufstieg 2017 die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb verpassen. Der Verein ist wegen der unbefriedigenden Stadionsituation, die ein strukturelles Defizit mit sich bringt, umso mehr auf die Einnahmen aus einem solchen angewiesen.
Klare Vision
Zum guten Saisonstart kam die Verpflichtung des umtriebigen Milos Malenovic als Sportchef ab dem 1. Oktober. Der 39-Jährige erhielt zuvor im Rahmen eines Beratungsmandats Einblick in den Klub. Als ehemaliger Spielberater ist er bestens vernetzt. Und er hat eine klare Vision: Sein Ziel ist, dass regelmässig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Durchbruch zu den Profis schaffen, am liebsten schon mit 16, 17 Jahren. Denn schliesslich soll die erste Mannschaft dank Transfererlösen endlich selbsttragend werden, das ist die Hoffnung des Präsidentenpaars Heliane und Ancillo Canepa, das schon Unsummen in den Verein gesteckt hat.
Malenovic ist sich nicht zu schade, seine Spielphilosophie höchstpersönlich an den Nachwuchs heranzutragen. Es gibt für ihn keinen Plan B, Halbheiten duldet er nicht. Wer nicht bereit ist, den eingeschlagenen Weg mit dem nötigen Biss mitzugehen, hat unter ihm keine Chance. «Wir sind hier in der Schweiz generell in einer Komfortzone, wissen nicht, was es bedeutet zu leiden und mit Existenzängsten zu leben. Spieler, die aus schwierigen Verhältnissen stammen, entwickeln genau diesen Biss», gab Malenovic in einem Interview mit dem «Blick» Einblick in sein Denken.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass vier Nachwuchsteams des FCZ inzwischen einen neuen Trainer haben. Die U21 betreut der Niederländer Ricardo Moniz, der Mitte Oktober als Leiter Spielerentwicklung und Coach der Coaches geholt worden ist. Sascha Milicevic amtet seit dem 1. Dezember als Ausbildungschef. Anfang Jahr wurde der Trainerstab der ersten Mannschaft mit Gianluca Frontino sowie die Scouting-Abteilung mit Matthias Ringler ergänzt.
Logischer Schritt
Es ist also einiges passiert, seit Malenovic im Amt ist. Doch trotz der Aufbruchstimmung schwächelt das Aushängeschild des Vereins. Zumindest nicht förderlich für die Leistungen der ersten Mannschaft waren die Diskussionen um Trainer Bo Henriksen. Seit Mittwoch ist nun klar, dass der nach der Saison auslaufende Vertrag mit dem 49-jährigen Dänen nicht verlängert wird.
Zwar betonten die Verantwortlichen immer wieder, dass sie gerne mit ihm weitergemacht hätten. Dennoch ist es nichts als logisch, dass keine gemeinsame Basis gefunden wurde. Henriksen ist in erster Linie ein Resultat-Trainer und weniger einer für die Umsetzung der angedachten Strategie. Zudem dürfte es für Malenovic nicht ungelegen kommen, nun einen selbst ausgesuchten Trainer installieren zu können.
Wie auch immer wird trotz der schlechten Resultate vorerst an Henriksen festgehalten. Das dürfte auch der Hoffnung geschuldet sein, dass die nun geklärten Verhältnisse eine positive Auswirkung haben. Im Communiqué hiess es, dass Henriksen in der letzten Saison bewiesen habe, dass er die Mannschaft aus einer schwierigen Situation herausführen könne. Als er im Oktober 2022 zum FCZ stiess, waren die Zürcher mit vier Punkten aus zehn Meisterschaftspartien Tabellenletzter, der Abstand zum Drittletzten betrug acht Zähler, der Abstieg drohte. Am Ende fehlt trotz Rang 8 nicht viel zur Teilnahme an der Qualifikation für die Conference League.
Nächste Saison europäisch zu spielen, ist für den FCZ so zu sagen ein Muss, da die Veränderungen selbstredend einiges Geld kosten. Henriksen steht also trotz des Bekenntnisses der Verantwortlichen, bis Ende Saison an ihm festzuhalten, unter Druck. Dies umso mehr, als am Samstag das Derby gegen die Grasshoppers ansteht. Eine erneute Niederlage gegen den Stadtrivalen nach dem 1:2 vom vorletzten Sonntag kann er sich kaum leisten, jedenfalls würde dann nicht die erhoffte Ruhe einkehren.