Wie der FC Thun die Spannung ins Aufstiegsrennen zurückbrachte
Didier Tholot steht vor der Garderobentür des FC Sion. Im Gespräch mit Präsident Christian Constantin gestikuliert der Trainer bisweilen wild, verwirft die Hände oder dreht sich entnervt ab. Als der Franzose sich wieder zu seinen Spielern aufmachen will, legt CC den Arm um seine Schultern und flüstert ihm etwas ins Ohr. Daraufhin verschwinden die beiden in der Garderobe.
Ein paar Meter weiter vorne steht Mauro Lustrinelli. Der Trainer des FC Thun will nach einigen Interviews gerade zu seinen Spielern in die Garderobe gehen, als er von einem Walliser Regionalfernsehen auch noch um eine Einschätzung dieses Abends gebeten wird. Bevor der Tessiner zur neuerlichen Analyse ansetzt, sagt er: «Die Spieler warten auf mich. Wir müssen feiern.»
«Wir spielen wie Kinder»
Es sind Episoden aus einem kalten Montagabend in der Thuner Stockhorn Arena. Einem Abend, an dem der FC Thun den dritten Sieg in dieser Saison gegen die Walliser bewerkstelligen und sich damit zurückmelden kann im Kampf um den direkten Aufstieg in die Super League. Und einem Abend eben auch, der die Protagonisten der beiden der Konkurrenz längst enteilten Aufstiegsaspiranten in ganz unterschiedliche Gefühlswelten abtauchen lässt.
Hier die Thuner, die sich in der angesichts der garstigen Bedingungen mit 6753 Zuschauerinnen und Zuschauern beachtlich besuchten Arena nach dem Schlusspfiff minutenlang von ihrem Anhang feiern lassen. Da die Sittener, die hadern, diskutieren, argumentieren, weil sie wissen, dass ihnen bei einem Sieg in Thun die Rückkehr in die Super League praktisch nicht mehr zu nehmen gewesen wäre.
Doch genau das sei eben das Problem gewesen, vermutet Joël Schmied. Der Berner Innenverteidiger in Diensten der Walliser findet, dass sich diese Ausgangslage lähmend auf das Team ausgewirkt habe. Schmied sagt: «In den wichtigen Spielen verstecken wir uns und spielen wie Kinder. Wir sind mutlos. Wir spielen defensiv und kreieren keine Chancen. Wir sind selbst schuld. Aber es ist extrem frustrierend.»
Beeindruckende Statistiken
Nach dem 0:1 in Thun liegt Sion nun vier Punkte voraus, wobei die Berner Oberländer noch ein Spiel mehr austragen dürfen. Hätten die Thuner am Freitag nicht unerwartet in Aarau verloren (0:3), wären sie jetzt Leader und auf dem direkten Aufstiegsplatz. Doch daran denkt im Lager des FCT an diesem Abend niemand. «Das bringt uns nichts», sagt Captain Marco Bürki. «Wir müssen in den restlichen fünf Spielen einfach unseren Job erledigen. Mehr können wir nicht machen.»
Auch Trainer Lustrinelli will sich nicht mit dem befassen, was hätte sein können, sondern lieber mit dem, was ist. «Wir haben gegen Sion in dieser Saison zehn Punkte gewonnen. Das heisst, wir machen es wohl nicht schlecht», sagt der 48-Jährige und verrät, dass seiner Mannschaft die physische Spielweise der Walliser entgegenkomme.
Gepaart mit der beeindruckenden Heimstärke der Thuner, die in 16 Heimspielen nie verloren und nur dreimal Unentschieden gespielt haben, führt das in der Challenge League zu einem spannenden Zweikampf um den direkten Aufstiegsplatz, der wohl erst gegen Ende der Spielzeit entschieden sein dürfte.
Sions leichter Vorteil
Obwohl es an diesem Abend nicht den Anschein macht, ist Sion trotz der dritten Saisonniederlage nach wie vor leicht im Vorteil. Bleiben die Sittener in ihren vier verbleibenden Meisterschaftsspielen makellos, ist ihnen der direkte Wiederaufstieg nicht zu nehmen.
Gelingt dies, würde es in der Garderobe des FC Sion sicher auch eher so tönen wie in derjenigen des FC Thun am Montagabend: Eine gute Stunde ist der Schlusspfiff her, als das Stadion längst leer ist, in den Katakomben fleissig aufgeräumt wird und die verschwitzten Trikots bereits in der Waschmaschine ihre Runden drehen.
Es ist ruhig, ausser eben in der Thuner Garderobe, aus der Jubel und Gesänge nach aussen dringen. «Jeder Sieg muss gefeiert werden», hatte Lustrinelli zuvor noch ins Mikrofon diktiert. Die Spieler hören offensichtlich auf ihren Trainer - auch neben dem Platz.