Viel Interesse, bescheidenes Abschneiden der Einheimischen
Immer wieder wurde es laut im Stadion, wo normalerweise der SC Bern seine Heimspiele austrägt. Die gut 6500 Fans verfolgten am Sonntag in den Lead-Finals erst das spannende Duell zwischen der Japanerin Ai Mori und der Slowenin Janja Garnbret, die als einzige das Top erreichten, und sahen dann, wie der Österreicher Jakob Schubert von den Fehlern der beiden Qualifikationsbesten profitierte. Der Gold-Gewinner schwärmte wie seine Mitstreiter von der «ausgezeichneten Stimmung», die in Bern herrsche.
Das Einzige, was aus Sicht des WM-Gastgebers fehlte, war die heimische Beteiligung in den Finals. Mit Sascha Lehmann stach der grösste Trumpf nicht. Der Berner musste sich in seiner Paradedisziplin, in der er vor wenigen Wochen in Innsbruck einen Weltcupsieg errang, mit dem 12. Platz im Halbfinal begnügen. «Das war sicher eine kleine Enttäuschung», sagt Urs Stöcker, der seit Oktober 2021 als Ressortleiter Leistungssport im Schweizer Alpen-Club amtet. «Sascha hat nicht den besten Tag eingezogen.»
Immerhin: Als Gesamt-Siebzehnter qualifizierte sich Lehmann für den Halbfinal im kombinierten Wettkampf Lead und Bouldern, der wie die Disziplin Speed im olympischen Programm von Paris 2024 steht. Die Männer bestreiten am Mittwoch den Halbfinal und am Samstag den Final.
Begrenzte Olympia-Hoffnungen
In Bern werden zwei (Speed) respektive drei (Lead und Bouldern) Olympia-Tickets vergeben. Würde Lehmann zu den Glücklichen gehören, wäre dies allerdings eine Sensation. «Bereits das Erreichen des Finals wäre ein grosser Erfolg», sagt Stöcker. Die bessere Möglichkeit, sich eines der insgesamt 20 Olympia-Tickets zu sichern, hat Lehmann an den im Frühling stattfindenden «Olympic Qualifier Series».
Neben Lehmann zeigten bei den Männern Jonas Utelli (19-jährig) und Nino Grünenfelder im Lead sowie Julien Clémence (beide 21) im Bouldern mit Halbfinalqualifikationen, dass in Zukunft mit ihnen zu rechnen ist. Sie träumen derzeit vor allem von den Sommerspielen 2028 in Los Angeles, wo es gut möglich ist, dass in drei statt wie bisher zwei Disziplinen gestartet werden könnte.
Bei den Frauen ist dagegen derzeit kaum jemand in Sicht, der in die Fussstapfen von Petra Klingler treten könnte. Die 31-jährige Boulder-Weltmeisterin von 2016 wird ebenfalls versuchen, sich für Paris zu qualifizieren, sich spätestens danach aber aus dem Spitzensport zurückziehen.
Stöcker, der Klingler über Jahre als Trainer begleitet hat und hofft, dass sie dem Sport auch nach ihrer Aktiv-Karriere erhalten bleibt, sieht den Grund für das aktuelle Tief bei den Frauen beim langen Schatten der Vorgängerinnen. «Über Jahre hat sich die Generation um Petra gegenseitig zu Höchstleistungen gepusht. Hinter ihnen hat sich eine Lücke aufgetan.»
Ansturm auf die Kletterhallen
An Nachwuchs mangelt es allerdings nicht. «Durch die Corona-Pandemie haben viele Menschen über das Outdoor-Klettern zu unserem Sport gefunden», führt Stöcker aus. Inzwischen sind die zahlreichen Kletterhallen in der Schweiz jeweils gut gefüllt, was mitunter die erfreulichen Zuschauerzahlen an der WM in Bern erklärt.
Nun gelte es, den jungen Kletter-Begeisterten den Schritt vom Freizeitvergnügen zum Leistungssport schmackhaft zu machen. Dies wird unter anderem mit neuen Einsteigerwettkämpfen wie dem Kids-Cup versucht. Die Rückmeldungen sind gut, das Interesse riesig. «Derzeit mache ich mir mehr Sorgen, dass wir auch genug Trainerinnen und Trainer für all den neuen Nachwuchs finden», so Stöcker.
Die WM in Bern dürfte weiter zur gestiegenen Aufmerksamkeit für die Randsportart beitragen. Selbst, wenn das Schweizer Publikum derzeit vor allem ausländischen Vorbildern zujubeln muss.