Van der Poels Mission ist missglückt
Gut zweieinhalb Minuten dauerte das Rennen im olympischen Cross-Country für Mathieu van der Poel. Dann fand er sich, noch vor Ende der kurzen Startrunde, bereits am Boden wieder. Zum Zeitpunkt seines Sturzes lag der Niederländer an 15. Stelle - rund 20 Positionen weiter vorne als beim Start.
Wie der Strassen- und Radquer-Weltmeister in einer technisch einfachen Rechtskurve gestürzt ist, sei «ein Anfängerfehler», so das Urteil von Thomas Frischknecht. «Das darf einem Weltklassefahrer wie ihm nicht passieren.» Der Zürcher, ehemaliger Gesamtweltcup-Sieger im Cross-Country und 1996 an den Olympischen Spielen Zweiter, führte den Sturz auf die «fehlende Routine» zurück.
Sturz wie 2021 in Tokio
Van der Poel war auch am vergangenen Sonntag auf dem Weg zu WM-Gold im Strassenrennen - ebenfalls in einer Rechtskurve - gestürzt. Damals allerdings alleine in Führung liegend und ohne grössere Folgen, denn der 28-Jährige konnte unverletzt weiterfahren.
Auf dem zwar attraktiven, aber verhältnismässig einfachen Circuit im Glentress Forest musste Van der Poel den Wettkampf jedoch mit einem blutig geschlagenen rechten Knie aufgeben. Schon sein zuvor letztes Mountainbike-Rennen - 2021 in Tokio - hatte er nicht beendet. Bei seinem spektakulären Sturz kopfvoran über ein Hindernis hatte er sich sogar schlimmer am Rücken verletzt. Immerhin dies blieb ihm in Schottland erspart.
«Solche Abkürzungen sind nicht richtig»
Rekordweltmeister Nino Schurter fand es nach dem Gewinn der Bronzemedaille «mega cool, dass Fahrer wie Van der Poel, Pidcock und auch Sagan am Start sind». Dass der Fahrer, der wenige Tage zuvor Strassen-Weltmeister geworden ist, «im Mountainbike am Start steht, ist eine grosse Ehre».
Der 37-jährige Bündner kritisierte aber, dass Van der Poel erst einen Tag vor dem Rennen von einer Sonderregelung profitierte, die es ihm erlaubte, von Startposition 34 statt von ganz zuhinterst loszufahren. Schurter findet es «nicht richtig, dass Mathieu von der UCI eine solche Abkürzung erhält. Jemand, der sich nicht mehr gewohnt ist, Mountainbike zu fahren, auch keinen einzigen UCI-Punkt mehr hat und in den letzten zwei Rennen bei uns gestürzt ist. Das ist unserer Disziplin gegenüber nicht fair.»
Schurters Teamchef erzürnt
Schon vor dem Rennstart hatte Frischknecht, der seit Jahren auch Teamchef von Nino Schurter ist, deutliche Worte nicht gescheut. Für die Spannung und das Rennen sei die Teilnahme von Van der Poel aus einer vorderen Startposition zwar gut. «Aber wie das Ganze abgelaufen ist, ist eine Frechheit. Man hätte das Reglement noch vor WM-Beginn anpassen können, aber nicht mit einer solchen kurzfristigen Aktion vor dem Rennen.»
Speziell sei auch, dass diese Sondergenehmigung, die Van der Poel brauchte, quasi vom UCI-Präsidenten David Lappartient im Alleingang und an allen Mountainbike-Verantwortlichen des Weltverbandes vorbei erteilt worden ist.
Frischknecht betonte dabei auch, «dass Nino die Aufregung um Mathieu sehr sportlich genommen hat. Aber was haben sich wohl Samuel Gaze oder Victor Koretzky gedacht?» Der Neuseeländer Gaze triumphierte am Donnerstag im Sprintrennen vor dem Franzosen Koretzky. Beide sind zudem ehemalige Sieger von Cross-Country-Weltcuprennen - gleichwohl mussten sie sich im Startfeld in Schottland hinter Van der Poel aufstellen.
Gaze gewann dank furioser Aufholjagd auch im Cross-Country eine Medaille. In der Schlussphase zog er noch an Schurter vorbei zu Silber. Fast ähnlich stark war das Rennen von Koretzky, der nur neun Sekunden hinter dem Bündner Vierter wurde.