Magistraler Max
Die Frage, ob der Formel-1-Weltmeister im dritten Jahr in Folge Max Verstappen heissen wird, hatte sich längst erübrigt. Spannung im Titelkampf hatte es, wenn überhaupt, nur in der ersten Phase dieser Weltmeisterschaft gegeben, erzeugt im Hause Red Bull selber. Sergio Perez hatte dem Niederländer die Stirn geboten und zwei der ersten vier Grands Prix gewonnen. Der Mexikaner hatte seinen hohen Zielen Nachdruck verliehen und seine Ambitionen ohne Umschweife kundgetan.
Doch das interne Duell war eine Momentaufnahme. Verstappen wies auch seinen aufmüpfigen Teamkollegen in die Schranken. Die Machtverhältnisse rückte er mit einer in der Formel 1 noch selten dagewesenen Deutlichkeit ins richtige Licht. Zehn Grand-Prix-Siege am Stück hatte vor Verstappen noch kein Fahrer geschafft.
Perez seinerseits wurde zum Mitläufer, zu einem fehleranfälligen Fahrer, zerbrochen womöglich auch am eigenen Anspruch. Der Versuch des Mexikaners, in der Formel 1 zur Nummer 1 aufzusteigen, erlitt Schiffbruch, sein Ansinnen, die Fahrer-Hierarchie bei Arbeitgeber Red Bull ins Wanken zu bringen, ebenso. Verstappen blieb der Mann, um den sich in der Formel 1 zurzeit fast alles und im Team Red Bull alles dreht. Auch Perez hatte sich in die Reihe der chancenlosen Herausforderer zu stellen - für einen Fahrer, der im einen der besten zwei Formel-1-Autos sitzt, eine bittere Erkenntnis.
Für Perez könnte es noch bitterer werden. Der Übergang von einer erfolgreichen (kurzen) Vergangenheit in eine mehrheitlich enttäuschend verlaufende Gegenwart könnte Auswirkungen auf seine sportliche Zukunft haben. Seine Leistungsschwankungen haben Diskussionen in Gang gesetzt. Sein Vertrag hat wohl noch für eine weitere Saison Gültigkeit. Ob Perez auch im nächsten Jahr Stammfahrer des Teams Red Bull sein wird, ist trotzdem alles andere als sicher.
Zu Verstappens Stärke gesellte sich die Schwäche der externen Konkurrenz. Weil sich von den Fahrern der andern Teams keiner hervortat beziehungsweise bei den Gegnern die technischen Nachteile von Anfang an zu gross waren und die Autos im Verlauf der Saison nicht in erforderlichem Masse nachgerüstet werden konnten, war der Weg frei für den Niederländer. Er schaltete und waltete, wie es ihm beliebte.
Die Leichtigkeit des Siegens
Gleichwohl war die drückende Dominanz des alten und neuen Weltmeisters keine Selbstverständlichkeit. Verstappen trug sehr wohl einen grossen Teil zum neuerlichen Triumph bei. Die Leichtigkeit, mit der er manchen seiner bisher 13 Grand-Prix-Siege in diesem Jahr errang, erzeugte oft ein falsches Bild. Da war aber ein magistraler Künstler am Werk, der die gegebenen Umstände als perfekte Basis nutzte, um seine hohe Begabung in bestmöglichem Umfang ausspielen zu können.
Verstappens Konstanz auf allerhöchster Ebene ist beeindruckend. Er hat im bisherigen Saisonverlauf ausnahmslos das Richtige getan. Selbst in den wenigen schwierigen Momenten hat er die Ruhe und in hektischen Situationen die Übersicht bewahrt. Auch die Mischung aus Zurückhaltung und Angriffslust stimmt.
Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat Verstappen in dieser Saison als Rennfahrer noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht, sein Reifeprozess hat ihn auf die nächste Stufe getragen. Weitere Stufen werden folgen, der Primus wird seine Entwicklung weiter vorantreiben. Im Alter von 26 Jahren bleibt ihm dafür noch einiges an Zeit - mit Blick auf die Vertragsmodalitäten zumindest noch fünf Jahre.
Das Leben im Hier und Jetzt
So weit voraus mag Verstappen eigentlich nicht schauen. Er mag nicht daran denken, mit wie vielen Grand-Prix-Siegen und WM-Titeln er sich dereinst aus der Formel 1 zurückziehen wird. Er fährt nicht um Statistiken und Bestmarken, sein sportliches Vermächtnis sieht er nicht in einem Helden- oder Legenden-Status. Verstappen lebt viel lieber im Hier und Jetzt. Als dreifacher Weltmeister sowieso.