Lernen müssen, mit Leib und Seele Spitzensportler zu sein
Für die meisten Talente ist es ein Traum, Profisportler zu sein. Für Janik Riebli ist es ein Dilemma, das ihn innerlich fast zerrissen hätte. Nach einem Sommer der tiefen Selbstreflexion ist er zum Schluss gekommen: Ja, er will mit ganzem Herzen Spitzensportler sein und Freude daran haben.
Der 27-jährige Obwaldner ist nicht nur einer der besten Langläufer der Schweiz, sondern auch mit Leib und Seele Landwirt. Riebli tat sich stets schwer damit, im Sommer monatelang zu trainieren und (noch) nicht zu wissen, ob es einen auch weiterbringt. «Du glaubst natürlich, dass du besser wirst», erklärt er. «Aber du siehst kein klares Resultat.» Er zieht den Vergleich zur Landwirtschaft. «Wenn ich 30 Kühe melke, habe ich 30 Kühe gemolken. Egal, wie gut ich es gemacht habe, ich habe jetzt ein Resultat, etwas Handfestes.»
Fragen und Hilfe der Teamkollegen
Das Dilemma, zwischen diesen beiden wichtigen Teilen seines Lebens gefangen zu sein, bereitete Riebli Mühe. Das spürten auch seine Teamkollegen. Sie stellten ihm Fragen wie: «Wieso kannst du es nicht mehr geniessen? Wieso kannst du dich mit dem Sportlerumfeld nicht besser identifizieren?» Fragen, die sich der Sprintspezialist selber auch stellte. In diesem Sommer machte er sich - auch mit Hilfe seines langjährigen Mentaltrainers - daran, Antworten darauf zu finden.
Riebli hatte sich stets gefragt, was wohl die Leute denken, wenn er trainiert und herum rennt, anstatt zu arbeiten. Er schämte sich richtiggehend dafür, obwohl er von seinem Umfeld stets unterstützt wurde. Nun ist er auch für sich selber zum Schluss gekommen, dass es dafür keinen Grund gibt und er sich für den Moment ganz auf seine Karriere als Spitzensportler konzentrieren will. So verbrachte er in diesem Sommer deutlich weniger Tage auf der Alp als im letzten Jahr - obwohl ihm diese auch gut tun.
Das haben nach einiger Zeit auch die Trainer realisiert. «Es hat einige Diskussionen mit Erik (Braaten, der norwegische Cheftrainer der Schweizer) gebraucht», erzählt Riebli schmunzelnd. Nun ist es soweit, dass sie den Innerschweizer im Herbst sogar von sich aus für eine kurze Pause nach Hause schickten, als sie spürten, dass er eine schwierige Phase hatte. «Ein, zwei Wochen Sommertraining sind kein Problem», so Riebli. «Aber wenn es dann fünf, sechs Wochen sind, ist es hart.»
Zukunft nach dem Sport geklärt
Gerade mit Valerio Grond, mit dem er vor einem Jahr beim Weltcup in Davos mit dem 2. Platz im Teamsprint den bisher grössten Erfolg feierte und den er schon «ewig» kennt, führte Riebli viele Gespräche. Grond ist mit seiner Fokussierung auf den Sport und seiner Akribie eine Art Gegenentwurf, doch auch der Bündner nimmt sich für sein Lieblingshobby, die Jagd, ab und zu eine kurze Auszeit. «Ich habe ihn stets ein bisschen beneidet», gibt der Obwaldner zu. «Aber ich habe gemerkt, dass auch er mich um das eine oder andere beneidet.»
Im Gegensatz zu anderen Spitzensportlern weiss Riebli schon ganz genau, was er nach dem Ende seiner Karriere machen wird: Den Hof seines Vaters in Giswil übernehmen. Das hat Vor- und Nachteile, wie er selber sagt. «Ein anderer beisst im Sport vielleicht noch ein oder zwei Jahre länger durch. Wenn es für mich nicht mehr stimmt, wird definitiv Schluss sein.» Für den Moment hat er seine Balance aber gefunden. Er ist mit sich und der Rolle des Spitzensports endlich im Reinen. «Ich habe für mich nicht alle, aber doch viele Fragen beantworten können», stellt er fest. «Es ist ein Privileg, das tun zu können, was ich mache, und das will ich jetzt auch geniessen.»
Ohne Grond im Teamsprint
Während des Winters war die Motivation sowieso nie ein Problem, da lässt Riebli in jedem Lauf und jedem Rennen sein Herz im Schnee. In dieser Saison, mit den Olympischen Spielen fast vor der Haustüre und in der traditionsreichen Langlauf-Hochburg Val di Fiemme, erst recht. Den Podestplatz vom letzten Jahr in Davos wird er allerdings nicht verteidigen können, zumindest nicht mit seinem starken Stammpartner Valerio Grond. Dieser verzichtet wegen Halsweh.
Riebli fühlt sich aber für den Teamsprint am Freitag und den Einzelsprint am Samstag parat und gut in Form. Mit dem jungen Engadiner Noe Näff hängen die Trauben aber sicher ein wenig höher. Der Saisonstart von Riebli verlief ein wenig durchzogen. In Ruka war er mit dem 6. Rang in der Qualifikation und dem knappen Aus im Viertelfinal gut unterwegs, in Lillehammer gab es einen Absturz (57.). In Davos wird nun aber erstmals in den Sprints in der Skating-Technik gelaufen, und da fühlt sich der Innerschweizer noch etwas wohler. So, wie jetzt endlich auch in seinem Körper und Kopf als Spitzensportler.