Leistungskurven in unterschiedliche Richtungen
«Die Ambiance war unglaublich», sagt Fabian Schär. «So etwas habe ich in meiner Karriere wohl noch nie erlebt.» Im ersten Heim-Auftritt in der Champions League seit über 20 Jahren besiegte ein entfesseltes Newcastle United das Starensemble von Paris Saint-Germain 4:1. Und der Schweizer Innenverteidiger steuerte sogar einen Treffer bei.
Dieser war in mehrfacher Hinsicht besonders. Vorab ist es nicht alltäglich, dass sich Schär in der Torschützenliste einträgt. Sein letztes Tor hatte er vor über einem Jahr erzielt, am ersten Spieltag der letzten Premier-League-Saison.
Seit seinem Wechsel zu Newcastle United (2018) gelangen Schär insgesamt elf Treffer, die meisten fielen nach Standards. Hin und wieder war er aber auch mit Distanzschüssen erfolgreich. Gegen den PSG schlenzte der 31-Jährige den Ball aus rund 20 Metern in die Torecke, wobei er während der Schussabgabe sogar noch ausgerutscht war. Es war der perfekte Abschluss einer magischen Nacht im St. James' Park, die vielen Fans und Spielern gleichermassen noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Sechste Saison in Newcastle
Vor fünf Jahren unterschrieb Schär bei den «Magpies», den Elstern, im Nordosten Englands. Das Team war erst ein Jahr davor in die höchste Liga zurückgekehrt. Im schwarz-weissen Gewand fühlt sich der Ostschweizer wohl. «Es ist meine zweite Heimat geworden», hält er fest. Nachdem der Klub 2021 von saudischen Investoren übernommen wurde, verteidigte Schär nicht nur seinen Platz im Kader, er spielte in der letzten Saison so oft wie noch nie. Mit seinen 36 Einsätzen in der Meisterschaft war er massgeblich an Newcastles bestem Tabellenrang seit zwei Jahrzehnten beteiligt.
In dieser Saison knüpft er bisher nahtlos an. In den acht Liga-Partien wie auch in den beiden Champions-League-Matches war er in der Innenverteidigung gesetzt, verpasste keine Minute. Umso erstaunlicher ist es, dass er im Nationalteam schon länger nicht mehr auf Touren kommt.
Dies mit dem Amtsantritt von Trainer Murat Yakin gleichzusetzen, würde zu kurz greifen. Schon Vladimir Petkovic hatte zum Schluss eher auf das Duo Manuel Akanji/Nico Elvedi gesetzt. Trotzdem genoss Schär unter dem vorherigen Trainer einen höheren Stellenwert, gehörte beispielsweise noch zum Spielerrat.
Meist nur dritte Wahl
Unter Yakin findet Schär den Tritt nicht wirklich: Seit 2022 stand er in nur sieben von insgesamt 19 Nati-Spielen von Beginn an auf dem Platz, in diesem Jahr sogar erst einmal. Nach einer verletzungsbedingten Pause zu Beginn der EM-Qualifikation und einem Kurzeinsatz gegen Rumänien gehörte Schär gegen Kosovo zur Startelf. Weil er bei den Gegentoren keine gute Figur machte, setzte Yakin drei Tage später jedoch wieder auf Elvedi.
Die Kritik an ihm versteht der Abwehrspieler aber nur bedingt. «Ich denke, dass in Pristina niemand von uns seine beste Leistung abrufen konnte. Manchmal gibt es einfach Spiele, die nicht so einfach sind. Daraus muss man lernen.»
Es ist mitunter das Los eines Nationalspielers: Während mässige Leistungen im Klub ein paar Tage später korrigiert werden können, hallen sie im Nationalteam nach. Deshalb müssen sich Spieler manchmal lange gedulden, bis sie erneut eine Chance erhalten.
Durch den verletzungsbedingten Ausfall von Elvedi könnte dies bei Schär nun schneller gehen. Am Sonntag dürfte er gegen Belarus an der Seite von Akanji verteidigen - es ist ein dankbarerer Gegner als zuletzt Kosovo, Portugal oder Serbien. Zwar wird die Ambiance nicht an diejenige im St. James' Park herankommen, dennoch will der Ostschweizer im ausverkauften Stadion in seiner engeren Heimat beweisen, dass er auch ohne schwarz-weisse Streifen auf dem Shirt überzeugen kann.