Irland und Frankreich hoffen auf ein Ende des Wartens
Eine Personalie dominierte in den vergangenen Wochen die Sportschlagzeilen in Frankreich: Antoine Dupont und sein gebrochener Jochbein-Knochen. Tägliche Wasserstandsmeldungen nach der Gesichts-Verletzung beim teuer erkauften Sieg im dritten Gruppenspiel gegen Namibia (96:0!), dann die Wunderheilung nur siebzehn Tage nach der Operation. Am Montag trainierte der Captain der «XV de France» und Welt-Rugbyspieler des Jahres 2021 erstmals wieder, am Sonntag soll er sein Team im Stade de France gegen Südafrika aufs Feld führen.
Dass der Gastgeber bereits im Viertelfinal auf den Titelverteidiger trifft, wirft ein schiefes Licht auf diesen grössten Sportanlass des Jahres. Bereits drei Jahre vor der WM fand die Auslosung der Vorrunden-Gruppen statt - aufgrund der damaligen Weltranglistenpositionen. Seither ist einiges passiert. So stürzten England, Wales (damals im Topf 1) oder Australien (Topf 2) regelrecht ab.
Zwei Hammer-Viertelfinals
Nun fanden sich die aktuellen Nummern 1 (Irland), 2 (Südafrika) und 5 (Schottland) in der gleichen Gruppe wieder, mit den Schotten als Leidtragenden. In einer anderen Gruppe trafen die Nummern 3 (Frankreich) und 4 (Neuseeland) aufeinander. Das Los wollte es, dass nun ausgerechnet die besten zwei Teams dieser Gruppen Gegner im Viertelfinal sind: Irland spielt gegen Neuseeland, Frankreich gegen Südafrika. Nur zwei der ersten vier der Welt können also die Halbfinals erreichen.
Dabei sind die Halbfinals für Frankreich eigentlich Pflicht. Nach drei verlorenen Finals (1987, 1999, 2011) soll nun - wiederum zwölf Jahre später - auf eigenem Boden endlich der ersehnte Titel her. Dupont wird umso mehr gebraucht, als mit Südafrika nun der schwerstmögliche Gegner wartet. Die «Springboks» sind eine absolute Turniermannschaft und physisch die wohl am härtesten spielende Equipe. Während Frankreich in der Vorrunde fast durchwegs überzeugte, unterlagen die Südafrikaner Irland in einer umkämpften Partie mit starken Defensiven 8:13.
Irlands Viertelfinal-Trauma
Für Irland wäre schon das Erreichen des Halbfinals historisch. Die «Kleeblätter» waren bei allen bisherigen zehn Weltmeisterschaften dabei, acht Mal scheiterten sie im Viertelfinal, weiter kamen sie noch nie. Nun aber stehen die Vorzeichen so gut wie noch nie. Nach dem Grand Slam (5 Siege) im prestigeträchtigen Six-Nations-Turnier der besten europäischen Teams stehen die Iren an der Spitze der Weltrangliste und sind seit eineinhalb Jahren ungeschlagen. In der Vorrunde überzeugten sie auf der ganzen Linie und deklassierten nach dem Sieg gegen Südafrika auch die zuletzt starken Schotten 36:14.
Im Viertelfinal am Samstagabend treffen der Rekordspieler Johnny Sexton und sein Team - eben wegen der speziellen Auslosung - aber auf den Co-Rekord-Weltmeister Neuseeland (3 Titel wie Südafrika). Die «All Blacks» haben zwar zuletzt einiges von ihrer Dominanz eingebüsst und verloren zum Auftakt gegen Frankreich erstmals an einer WM ein Gruppenspiel (13:27). Unterschätzen sollte man die Rugby-Grossmacht aber nie. Neuseeland scheiterte an einer WM erst einmal vor dem Halbfinal, 2007 in Cardiff im Viertelfinal gegen Frankreich. Auch seine letzte Niederlage kassierte Irland im Juli 2022 in Auckland gegen die «All Blacks».
Chance für Aussenseiter
Die anderen beiden Viertelfinals - am Samstag- und Sonntagnachmittag in Marseille - stehen ganz im Schatten der Gigantenkämpfe. Das seit Monaten schwächelnde England ist gegen das Überraschungsteam aus Fidschi klar favorisiert, während der Ausgang des Spiels Wales gegen Argentinien sehr offen scheint.
Es wäre jedenfalls überraschend, wenn eines dieser vier Teams in den Final einziehen würde. Unabhängig vom Ausgang der Viertelfinals wären die Sieger von Frankreich - Südafrika und von Irland - Neuseeland im Halbfinal klar favorisiert. Für die nächste WM in vier Jahren in Australien soll die Auslosung der Gruppen übrigens deutlich später erfolgen als bisher üblich.