Die Qualifikations-Kampagne der Schweiz ist ins Stocken geraten
Die Schweizer gehen 1:0 in Führung und haben einige Gelegenheiten, diese auszubauen. Sie ziehen eine Schwächephase ein, kassieren drei Tore in Folge und sehen wie die sicheren Verlierer aus. Doch dank einer Schlussoffensive mit dem Mute der Verzweiflung gelingen dem Nationalteam noch zwei Treffer zum 3:3.
Dieses Skript hatte es schon mal gegeben: im EM-Achtelfinal vor zwei Jahren. Das Spiel gegen Frankreich sollte als das vielleicht beste der Schweizer Nationalmannschaft in die Geschichte eingehen. Die Partie gegen Belarus dagegen gilt als Enttäuschung oder knapp verhinderte Blamage. Denn vor zwei Jahren war der Gegner der damalige Weltmeister gewesen, am Sonntagabend war es die Nummer 105 der Weltrangliste.
In den fünf Spielen seit Juni bezwang die Schweiz einzig Andorra – und dies ebenfalls nur mit Mühe. Gegen Rumänien, Kosovo und Belarus resultierten Unentschieden, wobei sich ein Muster abzeichnete. Die Schweizer legten jeweils vor und kontrollierten das Spiel, ehe sie es aus dem Nichts aus der Hand gaben. Woran liegt das?
Die Defensive
Abwehrchef Manuel Akanji räumte nach dem Spiel gegen Belarus gleich selbst ein: «Es gab eine Zeit, da war es sehr schwierig, gegen uns ein Tor zu erzielen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.» Acht Tore hat die Schweiz in sieben Spielen erhalten. Zum Vergleich: An der letzten WM-Qualifikation, als Italien ein Gruppengegner war, musste die Schweiz in acht Partien nur zwei Treffer hinnehmen.
Für die Belarussen war wenig nötig, um die Schweizer Verteidigung zu übertölpeln. Beim ersten Gegentreffer reichte ein Ball in die Tiefe, um eine Überzahlsituation zu generieren. Beim dritten war sogar ein unkoordinierter Befreiungsschlag gut genug, um zum Assist zu geraten. Trainer Yakin analysierte, dass durch die Bemühungen, das zweite Tor zu schiessen, die defensive Ordnung verloren gegangen sei.
Wäre dies einzig gegen Belarus passiert, liesse sich darüber hinwegsehen. Jedoch kassierten die Schweizer gegen Rumänien und Kosovo ähnliche Gegentreffer. Es scheint zum Patentrezept zu werden, die Schweizer mit langen Bällen in Verlegenheit zu bringen. Vorab Akanji und Fabian Schär, zwei gestandene Premier-League-Verteidiger, die mit ihren Klubs in der Champions League spielen (Ersterer gewann sie sogar), lassen im Nationalteam die Abgeklärtheit vermissen.
Die Offensive
Man muss der Schweiz zugutehalten, dass die Aufgaben in dieser Qualifikation undankbar sind. Statt das Spiel mitzugestalten, stellen sich die Gegner oft mit neun bis zehn Akteuren um den Strafraum auf und lassen die Schweizer anrennen. Diese müssen bei der Suche nach Lücken Geduld beweisen und manchmal auch Risiken eingehen. Schliesslich wird in jedem Spiel der Sieg erwartet.
Die Aussenseiter wiederum warten auf die Gelegenheit, die freien Räume zu nutzen. «Das hat Belarus geschickt gemacht», musste Yakin anerkennen. Die schnellen Gegenzüge wollte der Nationaltrainer verhindern, indem er mit Xherdan Shaqiri und Renato Steffen zwei erfahrene Spieler auf der Seite aufstellte. Sie erhielten den Vorzug gegenüber jüngeren Akteuren wie Dan Ndoye oder Zeki Amdouni, deren defensives Gewissen vom Trainer offenbar weniger ausgeprägt eingeschätzt wird.
Der Plan ist auch gescheitert, weil die Schweizer in der Offensive lange zu inkonsequent ans Werk gingen. Dass die belarussische Verteidigung nicht sattelfest ist, weiss man vom ersten Aufeinandertreffen, als die Schweiz 5:0 gewann, und sah man auch, als die Schweizer nach dem Rückstand zielgerichteter agierten. Davor hatte sich das Team mehrheitlich auf der knappen Führung ausgeruht, statt den Gegner mit einem weiteren Treffer zu demotivieren. Bereits gegen Rumänien hatte man leichtfertig Chancen ausgelassen, bis man dafür bestraft wurde.
Der Trainer
So landet man unweigerlich beim Trainer selbst, dessen Spielidee im Team nicht zu greifen scheint. Das zeigt sich vor allem in der Ratlosigkeit, die nach dem 3:3 gegen Belarus herrschte. Teamstützen wie Shaqiri, Xhaka oder Akanji fanden keine Erklärung für die Zwischentiefs, in die das eigentlich eingespielte Team wiederholt schlittert. Zum dritten Mal innert vier Monaten sagte Shaqiri: «Solche Gegentore dürfen uns nicht passieren.»
Yakin selbst verlor sich in der Pressekonferenz nach dem Spiel in Phrasen, die er bereits nach den Partien gegen Rumänien und Kosovo zum Besten gegeben hatte. Man sähe, dass es auch gegen die vermeintlich kleinen Gegner schwierig sei. Dass man bis an die Grenzen gehen müsse. Dass man den Fokus nie verlieren dürfe. Doch die Botschaft scheint nicht anzukommen. Nach der Absage des Auswärtsspiels in Israel hätte man in dieser Woche genug Zeit zur Aufarbeitung vergangener Fehler gehabt. Stattdessen verschob man den Zusammenzug um zwei Tage.
Zeit, die im November – Stand heute – fehlen wird. Findet die Partie gegen Israel wie geplant am 15. November statt, eilt das Nationalteam zum Schluss der EM-Qualifikation von Spiel zu Spiel. In diesen muss die Schweiz zu alter Sicherheit zurückfinden, ansonsten gerät der Job des Trainers selbst bei einem Erreichen der Endrunde in Gefahr.