Abfahrts-Weltmeister Von Allmen lässt den Druck an sich abprallen
Es war eine wilde Fahrt, die Franjo von Allmen vor einem Jahr zum Auftakt in die Speedsaison in den Schnee Nordamerikas legte. Mehr als einmal war er bei der Abfahrt in Beaver Creek nahe am Ausscheiden, durchlebte er Schreckmomente. Am Ende resultierte beim Schweizer Doppelsieg - Justin Murisier triumphierte zum ersten Mal, Marco Odermatt wurde Zweiter - Platz 28 mit mehr als zwei Sekunden Rückstand.
Seit eben jenem Tag im Dezember 2024 hat sich viel getan im Leben des Simmentalers. Nicht weniger als sieben Podestplätze, darunter drei Siege, feierte er im Weltcup. Er wurde in Saalbach Weltmeister in der Abfahrt und holte in der neu geschaffenen Team-Kombination gemeinsam mit Loïc Meillard die Goldmedaille.
«Natürlich ist die Erwartungshaltung eine andere», sagt Von Allmen. Der Druck von Aussen sei grösser, dem sei er sich bewusst. «Aber ich muss mir selber lieb sein und versuchen, diesen Druck nicht zu sehr an mich heranzulassen. Ich versuche einfach, meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.»
«Kitzbühel, Kugel, Olympia»
Doch wie sehen die Ansprüche eines Abfahrts-Weltmeisters, der in der Disziplinenwertung Rang 2 belegte, in der Olympiasaison denn aus? Als Von Allmen am Medientag von Swiss-Ski Anfang Oktober vor die Wahl gestellt wird zwischen einem Sieg in Kitzbühel, Olympiagold oder einer kleinen Kristallkugel, sagt er: «Wenn ich nach Plan gehen würde wäre es Kitzbühel, Kugel, Olympia.» In dieser Reihenfolge.
Von Allmen weiss, war er kann. Aber in der Hochrisikosportart Ski alpin läuft nicht immer alles nach Plan, das zeigten die vielen Stürze mit teils schwerwiegenden Folgen in den letzten Jahren. Deshalb will er «alles gelassen nehmen», auch in einer Saison mit Grossanlass. «Olympia ist noch zu weit weg. Ich will Schritt für Schritt in die Saison starten.»
Die Saisonplanung ist gemacht, das Hauptaugenmerk liegt auf den Klassikern und Olympia, der Fokus aber im Hier und Jetzt. Alles andere wäre Harakiri in Anbetracht dessen, dass die Athleten auf ihren zwei Latten teilweise über 150 km/h erreichen.
Benzin im Blut, Tempo im Herzen
Das Risiko fährt mit. Bei Von Allmen sowohl im Winter als auch im Sommer. Der 24-Jährige aus Boltigen ist ein passionierter Motocross-Fahrer. Auf seinem Instagram-Kanal teilt er entsprechende Videos, die ihn in rasanter Fahrt durch den Morast zeigen. Unter ein Bild, das er im August postet, schreibt er: «Last dance on the bike & now time to go back on two wooden boards.» Von Allmen ist sich des Risikos bewusst. Dieses im Frühling einzugehen, sei verkraftbar. «Im Herbst lasse ich den Töff eher in der Garage», sagt er und schmunzelt. Kalkuliertes Risiko, sowohl auf als auch neben der Piste. Alles für den Erfolg.
Apropos Erfolg: Dass dieser auch Schattenseiten respektive viel Arbeit mit sich bringt, musste Von Allmen am eigenen Leib erfahren. «Die letzte Saison hat viel Energie gekostet, war voller Emotionen. Ich war sehr froh, konnte ich über den Sommer etwas Abstand gewinnen und gewisse Dinge beiseite legen.» Er hat Werbeanfragen bewusst abgelehnt, Prioritäten gesetzt, Freizeit genossen.
Allzu lange konnte der Abfahrtsweltmeister die Sonnenseiten des Sommers allerdings nicht geniessen. Neben Töfffahren und Zeit mit Kollegen verbringen stand schon bald wieder Konditionstraining auf dem Programm. Den meisten ein Graus, kann Von Allmen der Körperschinderei auch Positives abgewinnen: «Es hat gutgetan, den Körper mal wieder ans Limit zu bringen, den Kopf so durchzulüften.»
Eine andere Messlatte
Nun ist er bereit für die Saison der Bestätigung. Wobei Von Allmen festhält: «Für mich ging es schon letzte Saison darum, das Vorjahr zu bestätigen.» Nur wird er nun an Podestplätzen und Siegen gemessen und nicht mehr an Top-10-Rangierungen. «Ich muss niemandem mehr etwas beweisen, will es nur mir selbst recht machen.»
Genau dafür hat er im Sommer und Herbst gearbeitet. Nachdem die körperlichen Voraussetzungen geschaffen waren, ging es in einem ersten Schritt in Zermatt darum, das Gefühl für den Schnee wieder zu finden. In Südamerika schliesslich stand die Technik im Fokus, das «in den Rennmodus kommen», wie es Von Allmen nennt. Die «Winterspannung» sei von Tag zu Tag gestiegen, entsprechend auch die Vorfreude auf die ersten Rennen.
Am Donnerstagabend Schweizer Zeit steht mit dem Super-G in Copper Mountain das erste Speedrennen der Saison auf dem Programm, ehe in der Woche darauf mit der anspruchsvollen Abfahrt auf der «Birds of Prey», der Raubvogelpiste in Beaver Creek, ein erster Höhepunkt ansteht. Wenig Schnee und hohe Temperaturen in Colorado machen den Organisatoren das Leben schwer und verschärfen die Trainingsbedingungen für die Fahrerinnen und Fahrer.
Einer lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen: Franjo von Allmen. «Ich bin eher der Typ, der gerne warmes Wetter hat», sagte er Anfang Oktober - auch wenn seine Aussage natürlich auf den Sommer bezogen war. Hat er die Schlüsse aus den Fahrfehlern vom letzten Jahr gezogen und kann er seine Energie kanalisieren, ist es aber ohnehin die Konkurrenz, die sich warm anziehen muss.