Kantonsrat will Einzelzimmer für alle Senioren ermöglichen | Radio Central
Senioren

Kantonsrat will Einzelzimmer für alle Senioren ermöglichen

10. Juli 2023, 16:32 Uhr
Der Kantonsrat will Seniorinnen und Senioren im Alters- und Pflegeheim keine ungewollte WG zumuten. Auch wer Ergänzungsleistungen beziehe, solle Anrecht auf ein Einzelzimmer haben. (Symbolbild)
© KEYSTONE/GAETAN BALLY
Auch wer Ergänzungsleistungen bezieht, soll im Alters- oder Pflegeheim in einem Einzelzimmer leben dürfen. Erzwungene WGs soll es nicht mehr geben. Dies findet der Kantonsrat. Er hat am Montag ein entsprechendes Postulat mit 94 zu 73 Stimmen überwiesen.

Doppel- oder gar Mehrbettzimmer gibt es in Zürcher Institutionen zwar immer weniger. Wer Ergänzungsleistungen bezieht, kann aber nach wie vor Pech haben: Ein Einzelzimmer gibt es dann nur, wenn ohnehin eines frei ist. Ansonsten heisst es: in den letzten Lebensjahren ein Zimmer mit einer wildfremden Person teilen.

«Selbstverständlich sollen Menschen, die das freiwillig möchten, ein Mehrbettzimmer wählen können», sagte Christoph Fischbach (SP, Kloten), der das Postulat miteingereicht hatte. «Wir möchten aber, dass auch jene mit Ergänzungsleistungen frei wählen können.»

«Würdelos und der reichen Schweiz nicht würdig»

Dass man nach einem selbstbestimmten Leben wegen der Ergänzungsleistungen seine Privatsphäre aufgeben müsse, sei «würdelos und der reichen Schweiz nicht würdig».

Derzeit sind 60 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf Zusatzleistungen angewiesen. «Kein Wunder bei diesen Heimpreisen», sagte Michael Bänninger (EVP, Winterthur). Von einer unfreiwilligen WG sind vor allem Frauen betroffen, weil sie häufiger auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind und bekanntlich länger leben.

Josef Widler (Mitte, Zürich), der selber Heimarzt ist, stimmte dem Vorstoss ebenfalls zu. Zweierzimmer würden oft nicht funktionieren. «Manche Bewohner sind nachts aktiv, manche nicht.» Er zeigte sich aber gleichzeitig überzeugt, dass die Zweierzimmer ohnehin eine Frage der Zeit sind. «Bis der Bericht des Regierungsrates vorliegt, wird es sowieso keine mehr geben», sagte Widler.

Der Regierungsrat, der nun einen Bericht zu dem Thema verfassen wird, zeigte sich eigentlich bereit, das Postulat ohne Diskussion entgegenzunehmen. Weil die FDP Ablehnung beantragte, landete es aber trotzdem auf der Traktandenliste.

SVP: «Einzelzimmer können auch Isolation bedeuten»

FDP-Sprecherin Linda Camenisch (Wallisellen) betonte, dass auch ihre Partei niemandem ein Leben im Zweierzimmer aufzwingen wolle. «Die Privatsphäre eines Einzelzimmers soll allen Personen zugestanden werden, egal ob Zusatzleistungsbezüger oder nicht.» Es seien aber die Heime, die dabei gefordert seien, nicht der Kanton.

Die SVP, die ebenfalls Nein stimmte, gab zu bedenken, dass Einzelzimmer auch Isolation bedeuten könnten. Es gebe viele Seniorinnen und Senioren, die in der Nacht Angst hätten, wenn sie alleine seien. Eine zweite Person könne da beruhigend wirken.

Man dürfe die Einzelzimmer deshalb nicht abschaffen. Lorenz Habicher (Zürich) betonte, dass die SVP deswegen aber «nicht herzlos oder asozial» sei. «Aber wir wägen ab.»

Quelle: sda
veröffentlicht: 10. Juli 2023 16:03
aktualisiert: 10. Juli 2023 16:32