Der österreichische Teenager, der gegen eine Legende kämpft
Wie ein Löwe auf der Pirsch schlecht sich Vinzenz Rohrer vor das Lausanner Tor. Als der Puck auf seiner Schaufel landet, fackelt er nicht lange und haut ihn in die obere Torecke. Nur 51 Sekunden nach dem 1:0 sorgt der Teenager aus Vorarlberg im sechsten Finalspiel kurz vor der zweiten Pause für eine Vorentscheidung, die erstmals etwas müde wirkenden Lausanner können im Schlussdrittel nicht mehr reagieren.
«Das ist natürlich super», sagt der 19-jährige Österreicher danach ins Mikrofon von Keystone-SDA. Er hat schon länger eine wichtige Rolle übernommen und überzeugt mit seiner Energie auf dem Eis. Einzig mit der Kaltblütigkeit vor dem gegnerischen Tor haperte es bisher noch - bis am Donnerstagabend. «Es sind so viele Emotionen dabei, und mit der Atmosphäre in der Halle bedeutet mir das sehr, sehr viel.»
Auf den Spuren von Marco Rossi
Erst zaghaft spriesst der Ansatz eines Playoff-Bartes in Rohrers bleichem Gesicht. Mit zwölf Lenzen hatte er den Weg in die Nachwuchsabteilung der ZSC Lions genommen, wie zuvor sein drei Jahre älterer Vorarlberger Nachbar Marco Rossi, der sich mittlerweile bei Minnesota in der NHL etabliert hat.
Dabei kommt Rohrer nicht aus einer klassischen Eishockey-Familie. Sein Vater Stefan hatte es als Tennisprofi bis auf Platz 141 der ATP-Weltrangliste geschafft, und auch der Filius war mal österreichischer U12-Juniorenmeister. Mit dem Wechsel in die Schweiz entschied er sich aber fürs Hockey, und dürfte dies spätestens an Abenden wie am Donnerstag nicht bereuen.
Auch dank des Ausfalls von Erstlinien-Stürmer Rudolfs Balcers erhielt Rohrer mit gut sechzehn Minuten am fünftmeisten Eiszeit aller Angreifer. Er war in der dritten Linie aber bereits davor eine feste Grüsse im starbesetzten Lineup der ZSC Lions - und das in seiner ersten Saison bei den Erwachsenen in der Schweiz. Die letzten beiden Jahre hatte er in der obersten kanadischen Juniorenliga bei den Ottawa 67's verbracht.
Die Suche nach dem Rezept
Nun greift er am Samstagabend wie einige seiner Teamkollegen nach dem ersten Schweizer Meistertitel. Dafür braucht es allerdings erstmals in diesem Final einen Auswärtssieg. Rohrers Rezept klingt einfach: «Grundsätzlich müssen wir einfach besser spielen.» Aber warum ist das auswärts bislang nicht gelungen? Der junge Vorarlberger lacht und schüttelt sein Lockenhaar: «Wenn wir das wüssten, würden wir es natürlich gerne ändern.» Nun hatten sie wieder einen Tag Zeit, um die Lösung zu finden.
Erschwert wird die Aufgabe durch die möglichen Ausfälle von Balcers und dem besten Verteidiger Yannick Weber, die beide bereits im ersten Drittel mit Verletzungen in die Garderobe verschwanden. Am Donnerstag konnten die Zürcher Löwen dies dank einem Team-Effort kompensieren. «Das löst schon etwas aus, wenn zwei deiner besten Spieler ausfallen», erklärt Rohrer. «Wir sind dann noch mehr zusammengestanden.»
Raffl mit Legendenstatus
Der Vorarlberger wandelt dabei nicht nur auf den Spuren von Marco Rossi, der in Rankweil acht Kilometer neben der Schweizer Grenze praktisch sein Nachbar war. Er kämpft sogar gegen eines seiner grossen Idole, den Lausanner Captain Michael Raffl. Rohrer überlegt kurz und meint dann: «Ich kenne ihn sicher besser als er mich. Wenn man in der NHL als Österreicher 600 Spiele gemacht hat, dann ist man schon eine ziemliche Legende im Eishockey-Sport, und jeder kennt dich.»
Dass Raffl mit seiner Intensität und Cleverness gerade in den Playoffs ein äusserst unangenehmer Gegenspieler ist, mussten auch die Zürcher am eigenen Leib erfahren. Seit er Spiel 2 mit einem harten, aber korrekten Check gegen Mikko Lehtonen und zwei Toren fast im Alleingang entschieden hat, ist der Einfluss des 35-jährigen Kärntners jedoch geschwunden. Vielleicht schlägt jetzt die Stunde des österreichischen Teenagers und nicht die der Legende. Freuen darf sich Österreich so oder so.