TikTok kämpft gegen Videos mit Bin-Laden-Brief an
Der «Guardian» hatte im Jahr 2002 über den auf Arabisch verfassten «Brief an das amerikanische Volk» des früheren Chefs der Terrororganisation Al-Kaida berichtet und ihn in englischer Übersetzung komplett veröffentlicht.
In dem Text legte der Planer der Terroranschläge vom 11. September 2001 seine von islamischem Fundamentalismus und Antisemitismus geprägte Weltsicht dar und drohte mit weiteren Gewalttaten. Bei TikTok wurden Zitate daraus und Verweise auf den Text beim «Guardian» mit Bezug auf den Gaza-Krieg verbreitet.
TikTok sperrte auch den Hashtag «#lettertoamerica» in der Suchfunktion der Plattform. Die Verbreitung der Videos und die Berichte darüber lösten sofort neue Kritik an dem Dienst aus, dem in den USA Nähe zu chinesischen Behörden vorgeworfen wird - was TikTok zurückweist. So schrieb die republikanische Präsidentschaftsanwärterin Nikki Haley auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter), dies sei ein Beispiel dafür, «wie unsere ausländischen Feinde soziale Medien vergiften».
TikTok konterte, es habe nur «eine geringe Anzahl» der Videos gegeben - und sie verstiessen ganz klar gegen die Regeln der Plattform. Laut einer Analyse wurden die seit Anfang der Woche veröffentlichten Videos zunächst rund zwei Millionen Mal angesehen, was nicht sehr viel für eine Plattform mit rund 150 Millionen Nutzern allein in den USA ist. Dann habe ein Zusammenschnitt bei X neue Aufmerksamkeit darauf gelenkt. Bis Donnerstagnachmittag seien Videos mit dem entsprechenden Hashtag mehr als 15 Millionen Mal angesehen worden.
Bin Laden war im Mai 2011 in Pakistan von US-Spezialkräften getötet worden. Eine Expertin für Propaganda und Falschinformationen an der Stanford-Universität kritisierte die Entscheidung des «Guardian» als einen Fehler. Man sollte längst öffentlich bekannte Fantasien eines Terroristen nicht zum verbotenen Wissen machen, nur weil es einige bei TikTok verbreiteten, argumentierte Renee DiResta beim Online-Dienst «Threads». So könne es für manche aufregender werden, sie wiederzuentdecken. Stattdessen solle man Leute «die Forderungen des Mörders» lesen lassen und mehr Kontext hinzufügen.
«Das auf unserer Webseite veröffentlichte Transkript wurde ohne den vollständigen Kontext häufig auf sozialen Medien geteilt. Deswegen haben wir uns entschlossen, ihn herunterzunehmen und Leser stattdessen zu dem Bericht weiterzuleiten, in dem er in Kontext gesetzt wurde», hiess es auf der «Guardian»-Webseite am Mittwoch.