Syrien wegen Folter vor UN-Gericht angeklagt
Seit mindestens 12 Jahren verletze die Regierung unter Präsident Baschar al-Assad systematisch die UN-Antifolterkonvention, erklärten die Rechtsvertreter beider Staaten am Dienstag in Den Haag vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen. «Syrische Bürger wurden in grosser Zahl gefoltert, ermordet, verschleppt, angegriffen mit Giftgas oder haben alles verloren, als sie um ihr Leben flohen.» Die beiden Länder fordern Sofortmassnahmen des Gerichts gegen Syrien.
Vertreter Syriens erschienen nicht zur Anhörung. Gerichtspräsidentin Joan Donoghue bedauerte das Fernbleiben. Sie verwies darauf, dass die Anhörung im Sommer auf Bitten von Syrien um drei Monate verschoben worden war. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich Syrer versammelt, die Gerechtigkeit für die Opfer forderten.
Zehntausende Menschen seien in geheimen Haftzentren durch Folter getötet worden, sagte René Lefeber, Rechtsvertreter der Niederlande. Und die Praktiken gingen ungehindert weiter. «Jeder Tag zählt. Menschen, die jetzt inhaftiert sind, können nicht länger warten.» Menschen seien Opfer von Elektroschocks, würden geschlagen, vergewaltigt, Tausende seien willkürlich eingesperrt und würden unter erbärmlichen Umständen festgehalten.
Zunächst müssen die Richter über den Antrag auf Sofortmassnahmen entscheiden. Sie sollen Syrien dazu verpflichten, Folterpraktiken unverzüglich einzustellen, illegal festgenommene Menschen freizulassen und die Rechte von Gefangenen sicherzustellen. Eine Entscheidung wird in einigen Wochen erwartet. Ein Urteil des Gerichtshofes ist bindend. Doch hat er keine Möglichkeiten, es auch durchzusetzen. Er kann dazu nur den UN-Sicherheitsrat anrufen.
Das Hauptverfahren gegen Syrien wegen Verstosses gegen die Antifolterkonvention kann Jahre dauern.
Der syrische Konflikt hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung von Al-Assad begonnen. Nach der gewalttätigen Niederschlagung der Proteste brach ein blutiger Bürgerkrieg aus. Bislang wurden etwa eine halbe Millionen Menschen getötet und Hunderttausende verletzt.