«Symbol des Protests» - US-Flaggen aus iranischer Produktion
Nicht selten landen die Flaggen mit dem Sternenbanner bei Strassenprotesten, werden niedergetrampelt oder auch angezündet. In der Vergangenheit geschah dies meist am Jahrestag der Islamischen Revolution von 1979. Fabrikchef Abolfasl Chandschani wehrt sich gegen schnelle Urteile. Im Ausland werde der Protest oft dramatischer dargestellt. Das Verbrennen der Flaggen sei vor allem ein «Symbol des Protests» gegen die US-Politik, meint der 39-Jährige.
Mit mehr als 120 Angestellten produziert das Unternehmen in Chomein jährlich rund 3,5 Millionen Flaggen. Chandschani betont dabei, dass die US-Flaggen nur einen kleinen Anteil an der Produktion ausmachen. Seine Fabrik bedient eine Vielzahl von Kunden, liefert an Hotels und Botschaften. Auch Flaggen religiöser oder politischer Gruppen zählen zur Produktpalette. In einem weiteren Fabrikteil werden etwa Hunderte Flaggen der libanesischen Hisbollah-Miliz gedruckt. Am Ende der Produktionslinie sind es palästinensische. Die Nähmaschinen rattern.
Chomein liegt etwa 300 Kilometer von der Hauptstadt Teheran entfernt. Die Kleinstadt ist Geburtsort des verstorbenen Revolutionsführers Ruhollah Chomeini, der schon vor 1979 Stimmung gegen Israel und die USA gemacht hatte. Auch damals war Protest gegen den amerikanischen Einfluss in der Region ein Motor der Bewegung, der schliesslich zum Sturz der Pahlawi-Dynastie führte. Chomein hat ein traditionelles Flaire. Das sei nicht immer so gewesen, sagt Chandschani, der hier aufgewachsen ist und das Handwerk von seinem Vater gelernt hat.
Eine Besonderheit betrifft die Flagge Israels. Wie auch die Islamische Republik selbst erkennt der Unternehmer den jüdischen Staat nicht an. Deshalb prangt in der Regel auf den Flaggen mit dem blauen Davidstern ein Schriftzug auf der Landessprache Farsi, aktuell «Tod Israel». Chandschani ist empört über die Luftangriffe der israelischen Armee, die nach dem Massaker der islamistischen Hamas erfolgten. «Wie sollen Zivilisten, deren Familien getötet werden, die Bombardierungen von Terror unterscheiden?», fragt der Unternehmer. Den USA wirft er mit Blick auf den Schutz ziviler Leben Doppelmoral vor.
Der Fabrikbesitzer Chandschani sieht sich als weltoffenen Mann und sagt, die iranische Gesellschaft werde oft zu Unrecht kritisiert. «Mit dem Internet hat sich die Welt verändert, man kann nicht mehr behaupten, dass Menschen gut oder schlecht sind», sagt der 39-Jährige, der sich Frieden für die Region wünscht. «Der Iran hat gute Beziehungen zu den Ländern der Region, aber diese Beziehungen sollten immer den Interessen des Irans untergeordnet werden.»
Während die Demonstrationen gegen die US-Politik in der Islamischen Republik seit mehr als 40 Jahren zur Staatsdoktrin gehören, machen die scharfen US-Sanktionen der heimischen Wirtschaft schwer zu schaffen. Die Hoffnung auf eine Annäherung mit dem Westen nach dem Atomdeal von 2015, der Irans Nuklearprogramm einschränken sollte, hatte Ex-Präsident Donald Trump zunichte gemacht. Die USA stiegen einseitig aus der Vereinbarung aus. Die Enttäuschung im Iran war gross. Heute richtet sich die Kritik nach zahlreichen Wellen der Proteste aber oft gegen die Islamische Staatsführung selbst.
Nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober wurde Feuerwerk gezündet am Palästina-Platz in der Hauptstadt Teheran. Anhänger des Systems feierten die Attacke und bekundeten öffentlich ihre Solidarität. Auch die Staatsführung lobte den Angriff wenige Tage später, Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei wies eine direkte Verstrickung jedoch zurück. Seit mehreren Wochen steht der Iran im Fokus der Weltöffentlichkeit. Die USA und Israel werfen der Islamischen Republik vor, die Hamas Jahre lang unterstützt zu haben.
Doch wer teilt den Hass? «Die israelfeindliche Haltung ist trotz jahrelanger Versuche der Indoktrination meist nicht über die lautstärksten Befürworter des Regimes hinausgegangen», meint der Historiker Arash Azizi in einem Beitrag für die Denkfabrik Atlantic Council. Ein Zeichen dessen dürften die Sprechchöre Tausender Fussballfans sein, die einen Tag nach den Angriff bei einem Spiel in Teheran gegen die von der Regierung organisierte Solidarität für Palästina anschrien. Sadegh Sibakalam, ein renommierter Experte im Iran, schrieb auf der Plattform X: «Ich wünschte, die Beamten des Systems (...) könnten der Bevölkerung erklären, welchen Nutzen diese Angriffe für die nationalen Interessen des Irans haben.»