News
International

G7-Staaten schmieden Sicherheitspakt für die Ukraine

Grossbritannien

G7-Staaten schmieden Sicherheitspakt für die Ukraine

12. Juli 2023, 15:06 Uhr
Wolodymyr Selenskyj (l-r), Präsident der Ukraine, Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, US-Präsident Joe Biden, und Jens Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, nehmen am Nato-Ukraine-Treffen beim Nato-Gipfels teil. Foto: Kay Nietfeld/dpa
© Keystone/dpa/Kay Nietfeld
Die G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte will die Ukraine mit langfristiger militärischer und finanzieller Hilfe besser schützen, solange sie noch kein Nato-Mitglied ist.

Die USA, Deutschland und die fünf anderen Staaten der G7 stellen der Ukraine unter anderem moderne Ausrüstung für seine Luft- und Seestreitkräfte in Aussicht. Eine entsprechende Vereinbarung sollte zum Abschluss des Nato-Gipfels am Mittwochnachmittag unterzeichnet werden.

Sie bleibt aber weit hinter der Sicherheitsgarantie zurück, die ein Nato-Beitritt bieten würde. Dann würde die militärische Beistandspflicht aller Mitglieder inklusive der Entsendung von Soldaten im Fall eines Angriffs gelten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach schon vor der Unterzeichnung von einem «wichtigen Signal». «Wenn die G7-Staaten heute diese Garantien verkünden, dann wird das für uns zu einem wichtigen, konkreten Erfolg», sagte er.

Am Dienstag waren die Hoffnungen Selenskyjs auf eine Einladung der Ukraine in die Nato enttäuscht worden. Er hatte das scharf kritisiert und von einer Schwäche des Westens gesprochen, die Russland in die Hände spiele.

Blockiert worden war die Einladung vor allem von den USA und Deutschland, den beiden wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Sie wollen dem von Russland angegriffenen Land zunächst wie bisher mit konkreter Militärhilfe unter die Arme greifen, damit es sich besser selbst verteidigen kann.

Am zweiten Gipfeltag zeigte sich Selenskyj versöhnlich. Man könne «feststellen, dass die Ergebnisse des Gipfels schön sind», sagte er nach der Ankündigung der Sicherheitszusagen. Aber eine Einladung zum Nato-Beitritt «wäre ideal gewesen». Es sei aber klar, dass dies nicht passieren werde, solange der Krieg noch andauere.

Die G7-Vereinbarung zielt darauf ab, dass die ukrainischen Streitkräfte so ausgestattet werden, dass sie weiter ihr Heimatland verteidigen können und nach einem Ende des Krieges so stark sind, dass Russland keine weiteren Angriffe mehr wagt.

Dafür soll dem der dpa vorliegenden Dokument zufolge moderne Ausrüstung auch in den Bereichen «Luft und See» geleistet werden. Als eine Schlüsselfähigkeit werden Luftkampfsysteme genannt - ohne dass sie konkrete Waffensysteme wie Kampfjets oder bewaffnete Drohnen nannten.

Welche Staaten welche Militärhilfe leisten wollten, blieb noch offen. Auch eine zeitliche Perspektive wird nicht gegeben. Bislang unterstützen Deutschland und die anderen G7-Staaten vor allem die Landstreitkräfte der Ukraine durch Waffenlieferungen. Westliche Kampfjets und Kriegsschiffe wurden bislang nicht geliefert.

Als weitere Punkte werden in der Erklärung die Unterstützung der ukrainischen Verteidigungsindustrie, die Ausbildung von Streitkräften und das zur Verfügung stellen von Geheimdienstinformationen genannt. Zudem wird unter anderem auch weitere finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt.

«Wir können nie zulassen, dass sich das, was in der Ukraine passiert ist, wiederholen wird, und diese Erklärung bekräftigt unsere Verpflichtung, sicherzustellen, dass sie nie wieder der Art von Brutalität ausgesetzt wird, die Russland ihr angetan hat», sagte der britische Premierminister Rishi Sunak zu der Vereinbarung.

Der Kreml bezeichnete die Sicherheitszusagen der G7 als Gefahr. «Wir halten dies für einen extremen Fehler und potenziell für sehr gefährlich», sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen in Moskau. Sollte der Plan so umgesetzt werden, machten diese Länder Europa «für viele, viele Jahre noch viel gefährlicher», sagte er.

US-Präsident Joe Biden hatte ein Schutzszenario für Kiew bereits in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview umrissen. Die USA seien bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel, sagte er.

In dem Vorschlag bezog Biden sich auf die Zeit zwischen Kriegsende und einem möglichen Nato-Beitritt. Der Prozess für ein Land, dem westlichen Militärbündnis beizutreten, brauche Zeit. In der Zwischenzeit könnten die USA der Ukraine die nötigen Waffen bereitstellen und sie mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst zu verteidigen.

Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar - davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und Militärtechnik. Kein anderes Land weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg hat einem jüngsten Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses mehr Unterstützung von den USA erhalten.

Die USA unterstützen auch die Ukraine schon jetzt massiv: Seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 haben sie nach eigenen Angaben militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt.

Grossbritannien kündigte am Mittwoch zudem an, der Ukraine mehr als 70 weitere Kampf- und Logistikfahrzeuge sowie Tausende Schuss Munition für die bereit gestellten Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu senden. Damit werde sichergestellt, dass die ukrainischen Einheiten über die Mittel verfügen, Munition und Ausrüstung zu transportieren, verletzte Soldaten zu evakuieren und beschädigte Fahrzeuge zu bergen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die Lieferung weiterer Waffen als wichtigste Aufgabe bei der Unterstützung der Ukraine. «Natürlich ist die dringlichste Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Ukraine sich durchsetzen kann. Denn sollte die Ukraine nicht fortbestehen, gibt es auch keine Frage einer Mitgliedschaft zu diskutieren», sagte er.

Stoltenberg und Selenskyj begaben sich im Anschluss zur ersten Sitzung des neuen Nato-Ukraine-Rats, einem Instrument der weiteren Annäherung des Landes an die Nato.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte der Ukraine am Dienstag zum Auftakt des Gipfels ein neues Waffenpaket mit einem Wert von fast 700 Millionen Euro zugesagt. Dazu gehören Panzer, Patriot-Flugabwehrgeräte und 20 000 Schuss Artilleriemunition.

Deutschland hatte sich in den Verhandlungen über das Gipfeldokument allerdings gegen eine klare Nato-Beitrittsperspektive für die Ukraine mit einem Fahrplan gestemmt. Am Rande des Gipfels kam auch Scholz zu einem Zweiergespräch mit Selenskyj zusammen.

Selenskyj äusserte sich am Mittwoch mit Abstrichen zufrieden zum Nato-Gipfel. Kiew habe den Nato-Beitritt schneller gewollt, mitunter sei es aber schwierig, den Partnern bestimmte Dinge verständlich zu machen, sagte er. Dennoch habe er bei den bilateralen Gesprächen «wichtige Signale» erhalten, dass sein Land der Nato beitreten werde.

«Die Ukraine begreift genau, dass sie kein Nato-Mitglied werden kann, solange der Krieg läuft», versicherte er. Ein wichtiges Ergebnis seien dabei Sicherheitsgarantien für die Ukraine auf dem Weg zur Nato-Mitgliedschaft. Diese seien ein «sehr wichtiges Signal».

Quelle: sda
veröffentlicht: 12. Juli 2023 15:06
aktualisiert: 12. Juli 2023 15:06