Dokfilm «Prisoners of Fate»: In der Warteschlaufe des Asylsystems
Der Filmemacher, der 1983 selber als Flüchtling aus dem Iran in die Schweiz gekommen war, begleitete seine Protagonistinnen und Protagonisten während mehrerer Jahre bei deren Bemühen, sich im neuen Land - also der Schweiz - zurechtzufinden.
Da ist zum Beispiel ein afghanisches Paar, dessen kleiner Sohn auf der Flucht unter dramatischen Umständen zurückblieb; die Frau und der Mann kämpfen verzweifelt für einen Familiennachzug. Oder der Iraner Mahmad, der nach traumatischen Kriegserfahrungen nur mit exzessivem Krafttraining zur inneren Ruhe findet.
Besonderer Zugang
Die ersten Kontakte entstanden bereits 2015, als Sahebi eingeladen wurde, das Projekt eines Flüchtlingschors in Zürich mit der Kamera zu begleiten. Dabei wurde rasch klar, dass er zu den afghanischen und iranischen Geflüchteten einen besonderen Zugang hatte - nicht nur wegen seiner Kenntnisse von Sprache und Kultur: «Auch weil ich ein ähnliches Schicksal geteilt hatte, war ich schnell auf Augenhöhe mit ihnen», erklärt Sahebi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone- SDA.
Dem Regisseur war bewusst, «dass mein Filmprojekt nach den Abschlusskonzerten erst am Anfang stand, und ich meine Protagonisten weiterhin begleiten wollte». Die grösste Arbeit bestand in der Folge darin, «den Hauptfiguren ein tiefes Profil zu verleihen, ihre Hintergrundgeschichten zu durchleuchten, berührende und aussagekräftige Szenen aus ihrem Alltag zu filmen und ihrem Verhältnis zur Schweiz und ihrer Heimat nachzuspüren».
Während der Dreharbeiten waren der Regisseur sowie die Protagonistinnen und Protagonisten mit neuen Entwicklungen in ihren Herkunftsländern konfrontiert - der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan oder den Volksaufständen in Iran nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini. Die politische Situation in beiden Ländern gleiche «einem Alptraum, der kein Ende zu nehmen scheint». Dieser spiegle sich auch in den Schicksalen der Protagonisten.
Empathie wecken
Hofft Mehdi Sahebi darauf, dass der Film die Debatte zur Asylpolitik in der Schweiz und Europa beeinflussen kann? Daran habe er seine Zweifel, antwortet der Regisseur. «Filme können ein Bewusstsein schaffen, aber sie alleine können politische Entscheidungen nicht verändern.»
Hingegen könnten Filme dazu beitragen, «Empathie zu wecken und ein tieferes Verständnis für die Schicksale von Asylsuchenden zu fördern». Zu hoffen sei, dass die Öffentlichkeit dazu ermutigt werde, «sich mit den betroffenen Menschen solidarisch zu zeigen und nach menschenwürdigen Lösungen zu suchen».
Zweiter Auftritt in Locarno
Mehdi Sahebis wurde letzten Sommer in Locarno uraufgeführt. Der Regisseur ist dort kein Unbekannter. 2006 erhielt Mehdi Sahebi in der Kritikerwoche eine Auszeichnung für seinen ersten Langfilm «Zeit des Abschieds». Darin dokumentiert er auf sensible Weise das Sterben eines Freundes und dessen schonungslose Auseinandersetzung mit dem Leben. Der berührende Film wurde in der Folge an zahlreichen Festivals aufgeführt.
«Prisoners of Fate» ist ausserdem für den Schweizer Filmpreis in der Rubrik Bester Dokumentarfilm nominiert. Der Preis wird am 22. März verliehen. *
Dieser Text von Theodora Peter, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.
https://www.prisoners-of-fate.com/