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Christdemokraten in Deutschland stärkste Kraft bei Europawahl

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Christdemokraten in Deutschland stärkste Kraft bei Europawahl

9. Juni 2024, 19:05 Uhr
Der Bundsvorsitzende der CDU Friedrich Merz spricht nach den ersten Hochrechnungen auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus. Foto: Fabian Sommer/dpa
© Keystone/dpa/Fabian Sommer
Bei der Europawahl in Deutschland sind die oppositionellen Christdemokraten mit grossem Abstand stärkste Kraft geworden. Nach ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF legt auch die rechtspopulistische AfD zu und erreicht Platz zwei.

Erst dahinter folgt die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Grünen liegen mit deutlichen Verlusten auf dem vierten Platz. Die FDP (Liberale) bleibt annähernd stabil, während die Linke stark absackt - und von der neuen Partei BSW der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht überholt wird.

Es ist ein herber Dämpfer für Scholz' «Ampel»-Koalition - alle drei Regierungsparteien verlieren Wähler. Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl (wahrscheinlich September 2025) kommt die «Ampel» auf weniger als ein Drittel der Stimmen. Laut Umfragen sind 76 Prozent der Deutschen unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung.

Den Hochrechnungen zufolge steigert sich die CDU/CSU leicht auf 29,6 bis 30 Prozent (2019: 28,9). Die AfD erreicht mit 16,1 bis 16,4 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl, das allerdings niedriger ausfällt als zwischenzeitliche Umfragewerte.

Die SPD sackt ab auf 14 Prozent (2019: 15,8) - es ist ihr schlechtestes Ergebnis bei einer deutschlandweiten Wahl überhaupt. Die Grünen fallen auf 12 bis 12,4 Prozent (2019: 20,5). In etwa unverändert bleibt die FDP bei 4,9 bis 5 Prozent (5,4). Die Linke landet bei mageren 2,8 bis 2,9 Prozent (5,5). Die Partei BSW, eine linkspopulistische Abspaltung von der Linken, erreicht aus dem Stand 5,7 bis 5,9 Prozent.

Bei der Europawahl in Deutschland gilt anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen keine Sperrklausel, also etwa eine Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung liegt laut Prognosen bei 64 bis 66 Prozent. 2019 waren es 61,4 Prozent, damals lag Deutschland auf Platz 5 im Vergleich der 27 EU-Staaten. Erstmals durften in Deutschland bei einer Europawahl auch 16- und 17-Jährige abstimmen.

Plus für rechte Parteien erwartet

In vielen EU-Staaten, darunter Deutschland, war mit einem deutlichen Plus für rechte Parteien gerechnet worden. So hatten Umfragen vor der Wahl die AfD zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gesehen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten. Beide gerieten wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in die Schlagzeilen, im Fall Krah geht es zudem um mögliche China-Verbindungen.

Gegen Bystron wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche ermittelt. Krah, seit 2019 Europaabgeordneter, erntete zuletzt ausserdem massive Kritik für verharmlosende Äusserungen über die SS, die sogenannte Schutzstaffel der Nationalsozialisten. Der Bundesvorstand der AfD verhängte daraufhin ein Auftrittsverbot für Krah im Wahlkampf. Die rechte Fraktion ID (Identität und Demokratie) im Europaparlament schloss als Konsequenz alle deutschen AfD-Abgeordneten aus.

In den 27 EU-Staaten waren rund 360 Millionen Bürger wahlberechtigt, davon knapp 61 Millionen Deutsche, ausserdem durften in Deutschland gut 4 Millionen EU-Asuländer wählen.

Gewählt wurden in Europa von Donnerstag bis Sonntag - je nach Land - 720 Abgeordnete für das neue Europäische Parlament, davon am letzten Tag 96 in Deutschland. Abgesehen von der Parlamentswahl in Indien ist es die grösste demokratische Abstimmung weltweit - und die einzige Direktwahl über Staatsgrenzen hinweg.

Krisenreiche Jahre seit der Europawahl 2019

In den fünf Jahren seit der letzten Europawahl 2019 haben einschneidende Krisen die EU in Atem gehalten: eine Pandemie mit Zehntausenden Toten und anschliessender Wirtschaftskrise, der russische Überfall auf die Ukraine mit folgender Energiekrise, eine wieder starke Migration nach Europa sowie zuletzt der Gaza-Krieg und Wetterkatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen infolge der verschärften Klimakrise.

Die Europawahl gilt in Deutschland als wichtiger Stimmungstest vor den drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September und der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Im Osten könnte die AfD im September stärkste Partei in den drei Länderparlamenten werden.

Kommissionspräsidentin von der Leyen strebt zweite Amtszeit an

Nach der Wahl schliessen sich die meisten Abgeordneten einer der Fraktionen im EU-Parlament an, also der christdemokratischen EVP, den Sozialdemokraten, den Liberalen, Linken, Grünen oder einer der beiden rechtsgerichteten Gruppen.

Eine der ersten Aufgaben des neuen Parlaments ist die Bestätigung der neuen EU-Kommission, der Exekutive der Union. Die bisherige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, eine deutsche Christdemokratin, strebt eine zweite Amtszeit an. Die frühere Bundesverteidigungsministerin bewarb sich im Gegensatz zu den anderen Kandidaten nicht um einen Sitz im Europäischen Parlament.

Die Schwesterpartei CSU schickte mit Manfred Weber ihren eigenen Spitzenkandidaten ins Rennen. Weber ist EVP-Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament. 2019 war der 51-Jährige Spitzenkandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten, bekam aber keine Mehrheit - so kam von der Leyen zum Zug.

Parallel zur Europawahl wurde in Deutschland in acht Bundesländern auch auf kommunaler Ebene gewählt: in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Thüringen wurde zudem in Stichwahlen über zahlreiche Landräte und Oberbürgermeister entschieden.

Quelle: sda
veröffentlicht: 9. Juni 2024 19:05
aktualisiert: 9. Juni 2024 19:05