Sorge vor Eskalation nach Israels Gegenschlag im Jemen
Der Iran und Israel sprachen gegenseitig Warnungen aus. Israels «gefährliches Abenteurertum» könne einen regionalen Krieg auslösen, sagte der Sprecher des iranischen Aussenministeriums, Nasser Kanaani, laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach vom Abwehrkampf gegen Irans «Terrorachse».
«Jetzt ist es an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft die Sanktionen gegen den Iran maximiert», forderte der israelische Aussenminister Israel Katz auf der Plattform X. Der Iran unterstütze, trainiere und finanziere die Huthi als «Teil seines regionalen Netzwerks von Terrororganisationen, die Israel angreifen wollen». Israel und seine Unterstützer wie die USA würden für «unvorhersehbare und gefährliche Folgen» des Gaza-Kriegs und Angriffe auf den Jemen «direkt verantwortlich sein», warnte der Sprecher des iranischen Aussenministeriums.
Guterres besorgt über Gefahr einer Eskalation
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich «zutiefst besorgt über die Gefahr einer weiteren Eskalation in der Region». Er rief «zur äussersten Zurückhaltung» auf. Israels Militär hatte zuvor nach eigenen Angaben militärische Ziele der Huthi-Miliz im Hafen von Hudaida angegriffen. Wie der Huthi-nahe Fernsehsender Al-Masirah in der Nacht unter Berufung auf die Gesundheitsbehörde berichtete, gab es dabei mindestens drei Tote und 87 Verletzte.
Auf Bildern waren gewaltige Brände zu sehen. Huthi-Sprecher hatten einen israelischen Angriff gegen «zivile Einrichtungen» im Jemen bestätigt. Ziele seien Öl- und Stromanlagen gewesen. «Von Beginn des Krieges an habe ich deutlich gemacht, dass Israel gegen alle vorgehen wird, die uns angreifen», sagte der israelische Ministerpräsident Netanjahu. Am Freitag waren beim Einschlag einer aus dem Jemen kommenden Kampfdrohne im Zentrum von Tel Aviv ein Mann getötet und mindestens acht weitere Menschen verletzt worden.
Netanjahu: Wir erreichen Feinde überall
Der Gegenschlag im Jemen «macht unseren Feinden klar, dass es keinen Ort gibt, den der lange Arm Israels nicht erreichen wird», sagte Netanjahu. Es sei die Antwort «auf Hunderte Attacken der letzten Monate auf Israel» gewesen, erklärte die israelische Armee. Über den Hafen von Hudaida seien Waffen aus dem Iran in das Land gelangt, sagte Netanjahu. Wie die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah-Miliz im Libanon sei die Huthi-Miliz im Jemen ein integraler Bestandteil der iranischen «Achse des Bösen».
Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat sich der jahrzehntealte Konflikt zwischen Israel und dem Iran dramatisch zugespitzt. Israel sieht sich nach Angriffen von Milizen, die mit dem Iran verbündet sind, an gleich mehreren Fronten unter Beschuss. Seit der iranischen Revolution von 1979 gelten Israel und die USA als Erzfeinde des Landes. Netanjahu nannte den Iran in der Vergangenheit ebenfalls den «wichtigsten Feind».
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sprach derweil mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant über Israels Antwort auf den Drohnenangriff der Huthi-Miliz in Tel Aviv, wie ein Sprecher des Pentagon in der Nacht mitteilte. Israels Schlag sei auf monatelange Angriffe der Huthi gegen den Staat Israel hin erfolgt. Austin bekräftigte «das eiserne Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur Sicherheit Israels und zum Recht Israels auf Selbstverteidigung».
Erneut Demonstrationen in Israel gegen Netanjahu
Unterdessen demonstrierten in Israel erneut Tausende von Menschen gegen die Regierung von Netanjahu und für ein sofortiges Abkommen im Gaza-Krieg zur Freilassung der Geiseln. Kurz vor dem Abflug Netanjahus in die USA hielten Demonstranten in Jerusalem Transparente mit der Aufschrift hoch: «Kein Flug ohne Abkommen», wie die «Times of Israel» am Abend berichtete. Am Mittwoch will Israels Regierungschef vor den beiden Kammern des US-Kongresses eine Rede zu Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen halten.
Auf einer der wöchentlichen Kundgebungen sagte einer der Teilnehmer, dessen eigener Enkel bei dem Terrorangriff der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober nach Gaza verschleppt und laut der Zeitung kürzlich vom Militär für tot erklärt worden war: «Nur ein Ende des Krieges wird die Geiseln nach Hause bringen». Ein Ende des Krieges werde «auch ein Ende der Regierung bedeuten» fügte er hinzu. «So können Sie alle verstehen, warum dieser Krieg so lange andauert und warum es immer noch kein Geiselabkommen gibt».
Seit Monaten laufen indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln. Sie kreisen um einen dreistufigen Plan, der den Austausch der noch rund 120 im Gazastreifen von der Hamas festgehaltenen Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie Wege hin zu einer dauerhaften Waffenruhe vorsieht. Teilnehmer der indirekten Gespräche hatten kürzlich noch vorsichtigen Optimismus gezeigt. Derzeit sind jedoch keine weiteren ranghohen Treffen angekündigt.
Huthi: Bereiten uns auf langen Krieg vor
Der Militärsprecher der Huthi-Miliz im Jemen, Jahja Sari, sagte unterdessen, man bereite sich auf einen «langen Krieg» mit Israel vor. Die Miliz greift seit Monaten Handelsschiffe in der Region an, die angeblich Bezug zu Israel haben. Sie handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Krieg. Sie hatte auch Ziele in Israel attackiert. Die meisten Geschosse wurden abgewehrt. Der Iran finanziere, bewaffne und lenke die terroristischen Aktivitäten der Huthi, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari.
Die von der Miliz auf Tel Aviv gerichtete Langstreckendrohne war am Freitag mit Sprengstoff beladen in ein Wohnhaus im Zentrum der israelischen Küstenmetropole eingeschlagen. Israels Verteidigungsminister Galant kündigte daraufhin Vergeltung an. Die Luftwaffe habe beim Gegenschlag auf den jemenitischen Hafen von Hudaida Ziele angegriffen, die auch für terroristische Aktivitäten genutzt würden, darunter Energieinfrastruktur, sagte Hagari. Israel habe den Luftangriff alleine durchgeführt und Verbündete wie die USA nicht daran beteiligt.
Im Jemen tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg. Zudem herrscht eine schwere humanitäre Krise, in der etwa 80 Prozent der Bevölkerung auf irgendeine Form von Hilfe angewiesen sind. Über den strategisch wichtigen Hafen von Hudaida am Roten Meer kommen nach UN-Angaben etwa 70 Prozent aller Importe und 80 Prozent aller humanitären Hilfsgüter in das Land.